Biographie
Geboren am 18. eventuell am 19. Oktober 1944 am Bielersee (seine Eltern stritten sich um das Datum, also kein Horoskop und schon gar kein Aszendent).
Erste Filmexperimente während der Mittelschule, die er 1963 abschliesst. Anschliessend Laborant, Korrektor und Journalist. Studium an der Kunstgewerbschule in Basel. 1962-65 dreht er einige Kurzfilme und gründet mit Urs Aebersold und Philip Schaad die Filmarbeitsgemeinschaft AKS. Nach dem Zeichenlehrer-Diplom Filmkurse bei Kurt Früh an der Kunstgewerbschule Zürich; Abschlussfilm Nach Rio (1968), eine schweizer Gangster-auf-der-Flucht-Geschichte.
1968/69 Dokumentarfilm "Varieté Clara" (mit Schaad und Janett) über das letze schweizer Varieté Theater.
1968-70 ausserdem Kameramann bei Studentenfilmen der Filmhochschulen in Zürich und München. Nach dem letztem Projekt der AKS, "Die Fabrikanten" (1973), bei dem er die Verbindung von Kleinkriminalität und "seriöser Geschäftswelt" thematisiert, kehrt Klopfenstein zur Malerei zurück. Stipendium für die Illustration des fantastischen Romans "Die Handschrift von Saragossa" von Jan Potocki, 1974 und 1975 Rom-Preis für Malerei.
Er beginnt mit einer Fotoarbeit "Paese sera" (Nachtbilder), die er mit Filmaufnahmen auf hochempfindlichem Material (Kodak 4X) weiterführt und die 1978 in dem Kompilationsfilm "Geschichte der Nacht" kulminieren (und ein Jahr später mit dem Nachtzugfilm "Transes" ihre Erweiterung erfahren).
In diesem nicht-narrativen Film verarbeitet er Nachtaufnahmen aus 50 europäischen Städte, von Dublin bis zum Bosporus. Nach der Auftragsproduktion "E nachtlang Füürland" (1981/grosser Max Ophüls Preis, Saarbrücken) und nach der Kameraarbeit bei "Reisender Krieger" von Christian Schocher geht Klopfenstein mit einem DAAD-Filmstipendium nach Berlin. Dort entsteht "Das Schlesische Tor", ein Kurzfilm über die Kommunikation rund um die Welt.
Mit "Der Ruf der Sibylla" (1982-85) über eine immer wundersamer werdende Reise durch das sibyllinische Hochland Italiens nähert er sich dem fiktionellen Bereich.
1985 beginnt er mit den Vorarbeiten zu "Macao, Rückseite des Meeres" der 1988 fertiggestellt wird: Diesseits und Jenseits verschwimmen bei einer Reise über Kontinente hinweg und von einem Ufer des Unterweltflusses zum andern.
In "Das vergessene Tal" (1990) entdeckt ein junger schweizer Ingenieur ein nicht kartografiertes Tal, in dem eine Gruppe von Flüchtlinge aus dem Zweitem Weltkrieg aus der Zeit gefallen zu sein scheint.
Nach einer Co-Regie mit Remo Legnazzi für Füürland 2 (1991) unterhalten sich zwei alternde Alter egos in "Das Schweigen der Männer" (1997) bei einer Reise durch die Welt über das Schweizer- und Mann-Sein. Erster Schweizer Filmpreis, bester Spielfilm 1998.
"Wer hat Angst vor dem umbrischen Wolf?" (1998) ist eine Busreise durch Umbrien, die Wohnregion Klopfensteins, bei der eine Schauspielertruppe von der unwirklichen Landschaft, der Vorahnung eines Wolfes und einer - sie ständig bedrohenden - Kamera begleitet wird.
(Ende Lexikon)
Nach einem Abstecher zum Tatort: "Alp-Traum"/1999) wo eidg. Sennen illegales Bankergeld in Weltkriegsbunker der schweizer Armee verstecken, folgt ein Film ohne Bild, "Tod, Trauer, Trapani", ein Tonreportage von nächtlichen sizilianischen Prozessionen, an der Viennale in Wien in einem dunklen Kino uraufgeführt und als CD bis jetzt 12 000 Mal verkauft.
2000 der Spielfilm: "WerAngstWolf" mit Bruno Ganz, Tina Engel und Mathias Gnädinger, diesmal sind es bekannte Starschauspieler, die sich im umbrischen Schnee und Nebel verlieren, Berlinale und Nomination bester CH-Film, nach einer zweijährigen Malphase folgt 2004 die Ausstellung "Sink positiv" im Haus der Kunst, Solothurn mit viel narrativer Malerei.
2005: "Die Vogelpredigt oder Das Schreien der Mönche" mit Polo Hofer, Max Rüdlinger, Sabine Timoteo, Mathias Gnädinger, Ursula Andress und Clemens Klopfenstein als alternder Maler in Umbrien, der endlich den endgültigen franziskanischen Film realisieren will und mit der CH-Filmförderung gar nicht zufrieden ist. Berlinale und Nomination Bester Schweizer Spielfilm 2006.
Anstelle eines Tatort-Drehbuchs schreibt er 2007 bis 2008 am Roman "Die Leichtigkeit des Schweins" Eine Abrechnung mit Umbrien. Erste Edition fürs Münchner Filmmuseum 2009.
Mit seinem Sohn Lukas Tiberio dreht er 2008 den kritischen Film "The it.Aliens" , Uraufführung an der Mostra del cinema, Venezia, 2009.
Aus: Lexikon Regisseure und Kameraleute - rororo 2000
In 3 Zeilen
C. Klopfenstein, das “Urgestein des CH-Films” war schon in Solothurn eins dabei, er drehte mit allem was er in die Hand und vors Auge kriegte: erst 8mm, dann Super8, später 16mm, Super16, 35mm und dann Video8, Video Hi8, Analog dann Digital, jetzt Festplatte. Lebt seit vierzig Jahren in Umbrien als Maler, Zeichner, produziert mit familiärem franziskanischen Budgets.
Portrait
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Director's portrait von SwissFilms
Ulrich Gregor schrieb…
Clemens Klopfenstein - Poesie und Experiment
zur Retro im Kino "Arsenal" Berlin.
Clemens Klopfenstein ist für uns der unabhängige Filmemacher par excellence - kreativ, temperamentvoll, fantasiereich, humorvoll, dem Experiment aufgeschlossen.
Ein Filmautor, der sich jeder Anpassung oder jedem kommerziellen Erfolgsrezept verweigert, aber aus seiner Umwelt, seinem Erleben, dem Umgang mit Freunden und der Auseinandersetzung mit dem Filmmedium immer neue, frische, Impulse entwickelt; auch aus der Reaktion auf Landschaften, auf Milieu und Ambiente.
Die Lust auf das Abenteuer und die Erkundung des Fremden / Exotischen, aber auch die ironische, selbstkritische Observierung des Nahen, Vertrautem und Bekanntem sind Klopfensteins Grundmotive. Und immer gibt es bei ihm eine Ebene der Ironie, der Doppeldeutigkeit, des Spiels mit Nuancen. Auf eine konventionell erzählende Handlungslinie kann Klopfenstein in seinen Filmen, die auf der Grenzlinie zwischen Fiktion und Dokument angesiedelt sind, durchaus verzichten, oder aber er benutzt das Narrative nur als Hilfsmittel, als Faden, auf dem als Perlen Episoden, Einfälle oder Improvisationen aufgereiht werden.
In seiner Anfangszeit huldigte Klopfenstein dem reinen kinematographischen Essay, schon in diesem Bereich glückten ihm einige seiner schönsten Leistungen. Ich werde nie den Eindruck vergessen den "Geschichte der Nacht" (1979) beim ersten Sehen auf uns machte, diese eindringliche und rein visuelle Studie nächtlicher Landschaften aus Europäischen Grossstädten, die an der Grenze der Wahrnehmbarkeit liegt und mit ganz wenigen Geräuschen operiert, aus diesen sorgsam gefilterten Eindrücken aber eine unvergleichliche Intensität der Beobachtung, des Lichts und der atmosphärischen Dichte entwickelt.
Auf dem gleichen Weg ging "Transes - Reiter auf dem toten Pferd" (1981) noch weiter, hier wahren es Auto- und Kamerafahrten durch schneebedeckten Landschaften die ein traumhaftes Klima erzeugten.
Klopfensteins Filme haben oft zu tun mit Reisen und der Erkundung von Landschaften. Im Fremden entdeckt er das Bekannte, seine Protagonisten tragen auch an entfernten Orten ihre Individualität, ihre Obsessionen mit sich herum, in einer Umwelt, zu der diese Elemente eigentlich nicht passen wollen; aber daraus entwickelt Klopfenstein die schönsten Kontraste und wechselseitige Beleuchtungen.
Er oszilliert zwischen Märchen und Realismus, so zum Beispiel in "Macao oder die Rückseite des Meeres" (1988) das Reisethema ist auch Klopfensteins späteren Filmen auf besondere Weise inhärent, dem Kurzfilm "Die Gemmi - ein Übergang" (1994) und dessen Fortsetzung "Das Schweigen der Männer" (1997) der zum Teil in Ägypten spielt, und auch seine letzten Schauspielerimprovisation "WerAngstWolf" (2000), die Darsteller klassische und modernen Texte in italienischen Berglandschaften rezitieren lässt ist so eine Reise ein Stück Poesie, eine Erkundung des Unbekannten, ein Wagnis und ein Experiment das doch mit Witz, Ironie und spielerischer Anmut ausgestattet ist.
Berlin, August 2000.
Quereinsteiger?
Interview mit Clemens Klopfenstein, ein Fundstück auf dem Web.